An(ge)kommen in Brandenburg
Stille als größtes Geschenk
Es gibt viele Gründe, nach Brandenburg zurückzukehren oder als Zuzügler ein neues Leben zwischen Prignitz, Uckermark, Fläming und Lausitz neu zu beginnen. In unserer Serie stellen wir Menschen vor, die im märkischen Land angekommen sind.
In ihren schwarz-weißen Gewändern sind sie noch immer so etwas wie Exoten, die Zisterziensermönche in Neuzelle. Dabei gehören sie schon seit August 2017 wieder in die altehrwürdigen Klostermauern des Ortes im äußersten Osten Brandenburgs, der 2300 Einwohner hat. Damals wurden sie fast wie Popstars empfangen. Und gut ein Jahr später ist die katholische Kirche in Neuzelle auch wieder übervoll gewesen, als das Priorat der Zisterzienser begründet wurde – mit sechs Mönchen. Sogar auf einer Leinwand auf dem Stiftsplatz konnte das historische Ereignis verfolgt werden.
Mittlerweile hat die Mönchsgemeinschaft Zuwachs gefunden. „Wir haben einen schwarz-weißen Kater“, erzählt Pater Kilian. „Zunächst sollte es nur eine Art Pflegekind für zwei Wochen sein. Dann haben wir uns aber so aneinander gewöhnt, dass wir ihn adoptiert haben.“ Heinz heißt er. Das ist die Kurzform von Heinrich. Und Heinrich der Erlauchte stiftete 1268 das Kloster Neuzelle.
Das historische Areal ist heute im Besitz einer staatlichen Stiftung und ein Magnet für Touristen aus dem In- und Ausland. Busseweise kommen sie und schauen sich die zwei Kirchen, den Klostergarten und die Museen an. Es gibt zwei weiterführende Schulen und immer wieder auch große Veranstaltungen. Kurz um, es ist immer etwas los. Zu viel für die Zisterzienser, die Stille suchen, um daraus Kraft zu schöpfen.
„Diese Stille ist in Neuzelle so nicht möglich. Wir hatten an vielen Wochenenden Beschallung von allen Seiten. Das hat unsere Kräfte überstiegen“, betonte Pater Simeon, der Prior, jüngst bei einer Gemeindeversammlung. „Eine Wiederbesiedlung ist so nicht möglich.“ Doch die Mönche sind gekommen, um zu bleiben. Entgegen der ursprünglichen Pläne soll nun ein neues Kloster errichtet werden. Im Gespräch als Ort für den Neubau ist das ehemalige Forsthaus Kobbeln – mitten im Wald, neun Kilometer vom Neuzeller Kloster entfernt und still. „Stille ist verletzlich“, weiß Pater Kilian. „Die kann man nicht machen.“ In dem Waldstück aber, da gibt es sie noch. Ob dort tatsächlich neu gebaut wird, steht allerdings noch nicht fest.
„Ich denke aber, dass die Entscheidung dafür, ein so großes Projekt anzugehen, dabei hilft, hier anzukommen, weil eine Perspektive da ist“, zeigt sich Pater Kilian überzeugt. Er und seine Mitbrüder haben vor, die Gemeinschaft auf Jahrhunderte in Ostbrandenburg zu verankern. Er spüre jetzt eine große innere Freiheit, sagt er und lächelt. Mit diesem Plan im Kopf sei auch der permanente Lautstärkepegel in Neuzelle, wo sie auf dem Klostergelände in den Räumlichkeiten des katholischen Pfarramtes leben, besser zu ertragen. „Lärm tut zwar immer etwas weh, aber das feuert die Sehnsucht an.“
Pater Kilian jedenfalls fühlt sich wohl in Ostbrandenburg und auch in Neuzelle. „Hier ist mein Ort“, versichert er. Das spüre er immer, wenn er im Mutterkloster im österreichischen Heiligenkreuz sei. Was ihm so gefällt im tiefsten Brandenburg? „Hier ist man sehr direkt.“ Aber auch die Herzlichkeit, wenn er mit den Menschen vor Ort ins Gespräch komme, die berühre ihn. „Das alles ist mir sympathisch.“ Das Einzige, was er hin und wieder vermisse, seien die klaren klösterlichen Strukturen aus Heiligenkreuz. In Neuzelle müsse man hier und da aufpassen, dass man nicht in eine WG-Stimmung verfalle. Da hat man eben nicht den Kreuzgang vor der Zimmertür, sondern einen Flur.
Die sechs Mönche verstehen sich, auch wenn sie alle komplett verschieden sind. Jeder hat seine Aufgabe, jeder wird gebraucht – ob nun beispielsweise zum Kochen, zum Verwalten der Haushaltskasse oder zum Weihnachtsbaumschmücken. Denn auch den gibt es im Priorat, und dort werden die Zisterzienser auch Zeit gemeinsam verbringen – neben all ihren Gebeten. Sie werden die Weihnachtsgeschichte lesen, gemeinsam essen, die Pakete ihrer Herkunftsfamilien öffnen und zusammen singen. Wenn Pater Kilian an sein Lieblingslied denkt, steigen ihm vor Rührung Tränen in die Augen. Die „Stille Nacht“, die liebt er. Und Stille, die ist für ihn das größte Geschenk.
Foto: Zisterzienserpriorat Neuzelle
Kommentare:
Kommentar verfassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Vielen Dank für Ihren Beitrag.
Ggf. wird Ihr Kommentar noch von der Moderation geprüft.