KATHOLISCH.DE | 10.12.2018 | STEFFEN ZIMMERMANN
Vor 100 Tagen wurde das Zisterzienserkloster im brandenburgischen Neuzelle offiziell neu gegründet. Im Interview mit katholisch.de spricht Pater Kilian Müller, der Ökonom des Klosters, über den mitunter schwierigen Alltag der Mönche, die größten Herausforderungen in der ostdeutschen Diaspora und den umstrittenen Plan für einen Neubau des Klosters.
Von Steffen Zimmermann | Neuzelle – 10.12.2018: Es war im zu Ende gehenden Jahr eine der positiven Nachrichten aus der katholischen Kirche in Deutschland: Am 2. September wurde unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit das Zisterzienserkloster im brandenburgischen Neuzelle nach 200 Jahren neu gegründet. Sechs Mönche, von denen vier zuvor bereits in einem „Probekonvent“ ein Jahr lang in Neuzelle gelebt und die Klostergründung vorbereitet hatten, versuchen in dem kleinen Ort an der deutsch-polnischen Grenze seitdem an alte klösterliche Traditionen anzuknüpfen und neue Traditionen zu entwickeln. Im Interview mit katholisch.de zieht Pater Kilian Müller, der Ökonom des Klosters, nach 100 Tagen eine erste Bilanz. Dabei spricht er über den mitunter schwierigen Alltag der Mönche in der ostdeutschen Diaspora, die größten Herausforderungen für die junge Gemeinschaft und den umstrittenen Plan der Zisterzienser für einen Klosterneubau in der Umgebung von Neuzelle.
Frage: Pater Kilian, vor 100 Tagen wurde der „Probekonvent“ in Neuzelle in ein dauerhaftes Priorat umgewandelt. Was hat sich dadurch für Sie im Alltag konkret verändert?
Müller: Eigentlich nicht viel. Wie schon vorher halten wir täglich unsere Gebetszeiten und erledigen die Arbeiten, die jeweils anfallen – das sind unter anderem seelsorgliche Aufgaben in der Pfarrei, organisatorische Angelegenheiten sowie die Dinge, die im häuslichen Bereich zu tun sind. Geistlich ist der Status als Priorat jedoch mit einer größeren Stabilität und Freiheit verbunden. Mit Ablauf des Probejahrs haben wir die Frage, ob wir in Neuzelle ein neues Kloster gründen, mit einem „Ja“ beantwortet. Damit wurde ein kirchenrechtliches und eben auch ein geistliches Faktum geschaffen: Nach über 200 Jahren gibt es in Brandenburg jetzt wieder ein aktives Zisterzienserkloster.
Frage: Was waren seit der Gründung des Priorats die wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen für Ihre Gemeinschaft?
Müller: Die größte Herausforderung besteht sicher darin, das klösterliche Leben in Neuzelle unter teilweise schwierigen strukturellen Bedingungen auf einen guten Weg zu bringen. Momentan gilt es, die notwendigen Schritte für den geplanten Bau eines neuen Klosters in der Umgebung von Neuzelle vorzubereiten. Die breite Unterstützung vieler Menschen in der Region und darüber hinaus, aber auch seitens der Politik, gibt uns Hoffnung und Zuversicht, in der richtigen Richtung unterwegs zu sein. Ich persönlich kann jedenfalls sagen, dass mein Herz für dieses Projekt brennt und ich dankbar bin für die tolle Gemeinschaft hier vor Ort.
Frage: Sie sprechen den geplanten Neubau an. Die Nachricht, dass Ihre Gemeinschaft langfristig nicht die alten Klostergebäude in Neuzelle nutzen, sondern ein ganz neues Kloster errichten will, hatte kurz vor der Gründung des Priorats einige Irritationen und Fragen ausgelöst. Die scheinen zumindest bei den Menschen in Neuzelle inzwischen weitgehend ausgeräumt zu sein. Wie aber ist der aktuelle Stand in Sachen Neubau?
Müller: In den vergangenen Monaten waren wir vor allem mit der Suche nach einem geeigneten Standort für das künftige Kloster beschäftigt. Das war schwieriger, als wir zunächst erwartet hatten. Westlich von Neuzelle steht der Bau einer Umgehungsstraße bevor. Östlich des historischen Klosters befindet sich die Oder-Niederung, also ein Überschwemmungsgebiet, und dann kommt schon die deutsch-polnische Grenze. Weiterhin verläuft nahe Neuzelle eine Hochspannungsleitung und es gibt Bereiche, in denen eventuell Windräder gebaut werden sollen. Von daher kamen viele Gebiete in der unmittelbaren Umgebung gar nicht in Frage. Inzwischen haben wir jedoch einen Standort im Blick, den wir allerdings noch genau unter die Lupe nehmen müssen. Es handelt sich dabei um eine ehemalige Stasi-Liegenschaft nahe des Neuzeller Ortsteils Treppeln, die zu DDR-Zeiten streng bewachtes Sperrgebiet war. Es wäre eine spannende Aufgabe und ein bewegendes Zeichen, einen solch verwundeten und historisch symbolträchtigen Ort in einen Ort des Gotteslobs, der Schönheit und Offenheit für Gäste und Besucher zu transformieren – ganz im Sinne eines biblischen „Kommt und seht“.
Frage: Wann ist bezüglich des anvisierten Standorts mit einer endgültigen Entscheidung zu rechnen?
Müller: Ich denke Mitte kommenden Jahres. Derzeit planen wir unseren konkreten Bedarf. Zeitgleich müssen neben dem Flächenzuschnitt auch viele Fragen der Bauleitplanung mit den zuständigen Behörden geklärt werden. Es macht schließlich keinen Sinn, ein Grundstück zu erwerben, auf dem das Vorhaben eines Klosterbaus gar nicht möglich ist. Darüber hinaus braucht es verschiedene Gutachten, unter anderem mit Blick auf mögliche Altlasten. Die berühmte Katze im Sack wollen wir jedenfalls nicht kaufen.
Frage: Bis ein möglicher Klosterneubau bezogen werden kann, bleibt das Pfarrhaus auf dem alten Klostergelände Ihr Wohnort und der Mittelpunkt des Priorats. Die beengte Wohnsituation dort ist jedoch alles andere als ideal. Kann sich unter diesen Bedingungen in den nächsten Jahren überhaupt ein richtiges Klosterleben entwickeln?
Müller: Zugegeben: Die Situation der räumlichen Trennung unseres Wohnbereichs von der Kirche verlangt schon einiges an Disziplin und Geduld. Uns allen war aber klar, dass das Pfarrhaus für längere Zeit unser „provisorisches Kloster“ sein wird; insofern werden wir schon zurechtkommen. Gleichwohl treibt uns die Sehnsucht nach einem Kloster mit Kirche, Kreuzgang und Klausurgarten voran und weckt immer wieder neue Kräfte.
Frage: Mit der Gründung des Priorats verbunden war die Aufstockung des Konvents von vier auf sechs Mönche. Wie ist derzeit die Stimmung in Ihrer Gemeinschaft? Hat jeder Mitbruder schon seinen Platz in der Gruppe gefunden?
Müller: Im November vergangenen Jahres hat uns der Generalabt des Zisterzienserordens bei seiner regulären Visitation in Neuzelle folgenden Ratschlag mit auf den Weg gegeben: „Ihr müsst zuerst eine Gemeinschaft bilden, alles Weitere kann nur darauf aufbauen.“ Daran arbeiten wir – und ich denke, dass alle Mitbrüder sich mit ihren jeweiligen Charismen gut in unsere Gemeinschaft einbringen; die Stimmung in unserer Gruppe ist jedenfalls gut. Allerdings sind wir derzeit noch nicht dauerhaft zu sechst: Zwei Mitbrüder wohnen noch nicht fest in Neuzelle, da sie noch an ihrem Studienabschluss arbeiten. Ab Weihnachten sind wir aber stabil zu fünft, und Frater Alberich – der sechste im Bunde – ist zumindest während der Semesterferien schon regelmäßig hier.
Frage: Sie selbst gehören zu den Mönchen, die vor der Errichtung des Priorats bereits ein Jahr lang die Neugründung des Klosters vor Ort geprüft und geprobt hatten. Deshalb leben Sie nun schon rund eineinhalb Jahre in Neuzelle. Sind Sie an diesem Ort schon heimisch geworden oder haben Sie manchmal noch Sehnsucht nach dem Stift Heiligenkreuz?
Müller: Auch wenn die Einheimischen das wahrscheinlich noch anders sehen, kann ich aus ganzem Herzen sagen: Ich bin ein Brandenburger! Hier ist jetzt mein Platz, meine Aufgabe. Persönlich fühle ich mich hier sehr wohl, auch wenn mir unser Vorhaben manchmal noch ein wenig verrückt vorkommt. Aber Gottes Wille führt ja häufiger mal auf unbequeme und nicht gerade „chillige“ Wege.
Frage: Wie gestaltet sich denn Ihr Verhältnis zu den Menschen in Neuzelle? Die waren ja nicht alle begeistert von der Neugründung des Klosters und den Plänen für den Neubau.
Müller: Insgesamt haben wir den Eindruck, dass uns viele Menschen hier vor Ort und weit darüber hinaus mit ihren Gebeten und Gedanken unterstützen. Dafür sind wir sehr dankbar. Auch der Ende 2016 gegründete „Verein der Freunde und Förderer des Zisterzienserklosters Neuzelle“, der schon 220 Mitglieder hat, ist für uns eine große Stütze. Um die Menschen vor Ort kontinuierlich über die Entwicklungen rund um den geplanten Neubau zu informieren, haben wir zuletzt Mitte November eine Bürgerversammlung abgehalten. Dabei konnten viele Fragen aus der Bürgerschaft diskutiert und beantwortet werden. Diese Gespräche und persönlichen Begegnungen sind wichtig, um Gerüchten und Missverständnissen vorzubeugen. Darüber hinaus versuchen wir immer wieder auch zu erklären, was ein Kloster eigentlich ist, wie Mönche leben und was uns zum Beispiel von Priesterseminaristen oder Diözesanpriestern unterscheidet. Wir tun das gern, schließlich wollen wir auch weiterhin gemeinsam mit den Menschen der Region den „Emmausweg“ zu unserem neuen Kloster gehen.
Frage: Und wie eng ist Ihre Verbindung zum Mutterkloster in Heiligenkreuz? Wie unterstützen die Mitbrüder von dort aus den weiteren Aufbau des Priorats?
Müller: Die klösterlichen Leitungsstrukturen haben sich bei zentralen Fragen bisher sehr gut bewährt. Wir in Neuzelle organisieren und bereiten vor, unter themenspezifischer Einbeziehung fachkundiger Berater. Final entschieden wird aber durch den Abt und das Konventkapitel in Heiligenkreuz. Wir stehen dazu in engem Austausch mit unserem Mutterkloster und freuen uns über den Rückhalt der Mitbrüder. Es ist auch stärkend, dass immer wieder Mitbrüder aus Heiligenkreuz zu Besuch nach Neuzelle kommen.
Frage: In zwei Wochen ist Weihnachten. Wie werden Sie das Fest in Neuzelle begehen?
Müller: Das Hochfest der Geburt des Herrn beginnt bei uns mit dem feierlichen Weihnachtsmartyrologium auf Latein, vor der ersten Vesper am 24. Dezember. Danach gibt es im Konvent in gemeinsames Weihnachtsessen, zusammen mit dem Neuzeller Pfarrer Ansgar Florian. Ansonsten geht es eher still zu, wir singen zusammen und üblicherweise sucht ein Mitbruder eine Geschichte zum Vorlesen aus. Die Christmette feiern wir dann aber gemeinsam mit den Menschen aus der Pfarrei. Dabei gehört „Stille Nacht“ natürlich dazu.
Von Steffen Zimmermann
Foto: Zisterzienserpriorat Neuzelle
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